Abstract Specific I Specific Abstract

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Abstract Specific I Specific Abstract
Abstract Specific I Specific Abstract, 2013
© Wieland Krause
Abstract Specific I Specific Abstract, 2013
© Wieland Krause
Abstract Specific I Specific Abstract, 2013, © Daniel Steegmann Mangrané & Benjamin Meyer-Krahmer
© Wieland Krause

Abstraktion ist eine Voraussetzung von Wahrnehmung, insofern wir immer nur einen kleinen Ausschnitt dessen fokussieren, was uns umgibt, während wir den größten Teil der konstanten Informationsflut auf unsere Sinne herausfiltern. Die passende Metapher liefert unser Blickfeld – wenn wir uns auf etwas konzentrieren, verschwimmt alles andere, wird nahezu unsichtbar, weil es in diesem Moment bedeutungslos ist. Die Relation zwischen dem, was wir scharf, und dem, was wir unscharf sehen, könnte man mit der Beziehung einer simplen Linienzeichnung zur (visuellen, olfaktorischen, akustischen, haptischen) Komplexität der Welt als Ganzes vergleichen. Unsere Wahrnehmung ist auf diese Abstraktionsprozesse angewiesen. Wenn es aber darum geht, Probleme zu lösen, schwierigen Fragen nachzugehen, die Welt zu verstehen, Einsichten zu gewinnen etc., produzieren wir ähnliche Abstraktionen aktiv und mehr oder weniger bewusst. Der UniversalgelehrteCharles Sanders Peirce (1839–1914) behauptete sogar, (logisches) Denken sei ohne grafische Zeichen nicht möglich. Er glaubte, man könne sich ohne die räumliche Vorstellung von Denkprozessen und Objekten nicht eingehend mit einem wichtigen Thema beschäftigen: „Reasoning is dependent on Graphical Signs.I do not believe one can go very deeply into any important subject without using space as a field in which to arrange mental processes and images of objects.“

Zeichnungen von spezifischer Abstraktion bzw. abstrakter Spezifität sind Spuren dieses Prozesses, der eine ästhetische wie auch eine erkenntnistheoretische Dimension beinhaltet, wobei die Beziehung zwischen diesen Dimensionen höchst komplex ist und eine Analyse ihrer Operativität bislang aussteht. Da die so untersuchten Phänomene sehr spezifisch, ja scheinbar hermetisch subjektiv sein können, sind auch die grafischen Artefakte sehr spezifisch und gleichzeitig doch äußerst abstrakt, weil sie eben nicht dazu gedacht sind, das Phänomen als solches zu repräsentieren, sondern nur jene Eigenschaften, die zu exakt diesem Zeitpunkt aus der Perspektive eines bestimmten Interesses relevant sind. Auch hier wird also der Großteil der potenziell verfügbaren Informationen ausgeblendet. Das ist in Kürze die Idee des spezifisch Abstrakten und der abstrakten Spezifität.

„Finding the right level of abstraction is the highest art“, schrieb Peirce zu den Voraussetzungen der erkenntnistheoretischen Effizienz von Diagrammen: die höchste Kunst besteht demnach darin, den richtigen Abstraktionsgrad zu finden. Als „exhibiting reasoning“, also als Veranschaulichung von Gedankengängen, beschrieb er die wichtigste Funktion dieser grafischen Praxis. Diese Erkenntnis kam ihm nicht beim Nachdenken über Zeichentheorie, sondern beim Zeichnen von Abertausenden von Abstraktionen. Wie spezifisch und abstrakt diese Eintragungen sind, zeigt die Tatsache, dass einige dieser „immutable mobiles“ (Bruno Latour) zwischen Disziplinen migrieren, die scheinbar nichts miteinander verbindet. Sie werden zu „Aktanten“ (Latour) in ästhetisch epistemischen Prozessen, deren Funktionsweise wir wahrscheinlich nicht einmal ansatzweise verstehen.

Abstract Specific / Specific Abstract besteht aus einer Serie vornehmlich visueller Hypothesen und damit verbundener Textfragmente aus unterschiedlichen Disziplinen (den Geistes- und Naturwissenschaften, den Künsten etc.) und Epochen; sie stammen von Walter Benjamin, Jonathan Bragdon, Dora García, Nils Hoff, Charles Sanders Peirce und Philippe van Snick. Die utopische Behauptung, auf der Basis einer gezeichneten Weltformel unendliches Wissen zu produzieren, findet ihren Ausgleich in den bescheidenen Versuchen, die passende Form für eine einfache Idee zu finden bzw. eine einfache Form für eine komplexe Idee. Im Gegenzug können auch diese einfachen Formen für etwas stehen, das sehr viel größer ist, als es der Person, die sie er- oder gefunden hat, bewusst gewesen sein mag. Utopie und Dystopie treffen auf eine große Bandbreite an Spezifität und Abstraktion, während der Bezugspunkt der Artefakte/Aktanten sich zwischen dem Universum und einem vermeintlich unbedeutenden Teilchen direkt vor unseren Augen hin- und herbewegt – „(sich) bewegende Bilder des Denkens“, wie Peirce diese Art des Graphismus nannte. Und sie bewegen (sich) in der Tat, in jeder erdenklichen Bedeutung des Wortes.

Abstract Specific / Specific Abstract ist ein fortlaufendes Projekt.

BR / ES
2013
Daniel Steegmann Mangrané
1977 ES
Kurator
Benjamin Meyer-Krahmer
DE
Artist Talk
Daniel Steegman Mangrané mit Benjamin Meyer-Krahmer (Kurator und künstlerischer Kooperationspartner) über „Abstract Specific I Specific Abstract“
So. 27. 10. 13:00
Technikhalle, Holzplatz 1, Halle (Saale)

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